Schrebergarten
«Völlig vertrocknet.» Mein Blick schweift über kahle Erde und trifft auf Unerwartetes: «Da blüht was!» Meine Herzdame schüttelt den Kopf: «Das gehört zum Nachbarn.» Neidisch blicken wir auf das üppige Grün ausserhalb unseres Gartens.
«Haben wir das gesetzt?» Ich zeige auf ein Bündel löchriger Blätter und schaue meine Herzdame fragend an. «Das war Mangold oder Aubergine – ich erkenn’s nicht mehr», seufzt sie und überlegt alternative Nutzungsmöglichkeiten: «Wir könnten eine Schneckenzucht eröffnen, die gedeihen prächtig.»
«Was wächst denn da?» Ich schreite zum hinteren Teil des Gartens. «Bärlauch und Farn.» Meine Herzdame hat den Überblick noch. «Aber die sind von alleine gekommen.» Ich überlege mir innovative Anwendungen: «Vielleicht kann man Farn auch essen?»
«In unserem Garten haben wir nur Unkraut, Schnecken und einen stattlichen Komposthaufen.» Meine Herzdame sinkt resigniert in einen Stuhl. Ich versuche, Gartenarbeit zu machen. «Ich giesse den Boden – der Gewohnheit zuliebe.»
Auf dem Weg zum Wasserhahn entdecke ich einen Korb. «Da hat es Tomaten!» Aber meine Herzdame dämpft die Euphorie. «Die sind vom Nachbarn, der uns letzte Woche Kartoffeln geschenkt hat. Er hat zu viel davon.»
Ebendieser ruft nun zu uns herüber: «Wart ihr zufrieden mit meinen Kartoffeln?» Ich berichte stolz: «Das gab einen exquisiten Bärlauch-Kartoffel-Gratin.» Er blickt entsetzt. «Ihr habt die gegessen? Die waren zum Einsetzen.»
publiziert im Journal 4-13