Grillen
Ein sommerlicher Sonntagabend – endlich! Den porzellanversiegelten Stahlgrill in den Garten gerollt, dazu Hochleistungskohlebriketts aus zertifiziertem Holz, Bio-Anzündwürfel und die Titanzange mit Kautschukgriff. Der Grillspass kann beginnen!
In einer jahrelang erprobten und verfeinerten Anordnung schichte ich das Brennmaterial auf und zünde es rechtsdrehend an. Heftige Flammen lodern und ... es raucht. Es raucht so stark, dass sämtliche nachbarlichen Balkone innert Kürze mit dicken Wolken verhüllt sind. Aus einer dieser Wolken bittet mich ein Mann, ein hustendes Kind auf dem Arm, mit erstickter Stimme, den Mittelpunkt meiner Grilltätigkeit doch etwas zu verschieben. Da ich sehr kinderliebend bin, streife ich meine Teflon-Asbest-Sicherheitshandschuhe über und rücke den Grill ein paar Meter vom Haus weg.
Wind sei Dank zieht der Rauch nun vom Haus weg. Dort steht, in der Abendsonne leuchtend, ein Stewi, vollgehängt mit frischgewaschener Bettwäsche. In wenigen Sekunden sind von ihm nur noch schemenhafte Umrisse zu erkennen. Dafür ist das Fluchen der dahereilenden Frau umso deutlicher zu hören. Entschuldigungen murmelnd schleppe ich die Rauchsäule hinter ein Gebüsch. Dort raucht sie noch eine Weile vor sich hin.
Nach einer Weile glüht es perfekt. Ich lege die in nordtoskanischem Olivenöl marinierten Bio-Lammkottelets auf. In diesem Moment wird die Prophezeiung der Klimaforscher wahr: Eines der in Zukunft häufigen Unwetter beginnt.
Ich schaffe es gerade noch, das Fleisch in die Küche zu retten. Dort wird es nun halt in der Pfanne gegart. Dank eines defekten Abzugs ist meine Küche danach völlig verraucht.
publiziert im Journal 3-06