Ruhe und Erholung

Hupende Autos, klingelnde Trams, schimpfende Passanten – ein typischer Morgen am Bellevue. Ich bin ferienreif. Also ab in den Süden, auf die Insel, in die Ruhe.

Hingestreckt auf warmem Sand lasse ich das beruhigende Rauschen der Meeresbrandung auf mich wirken. Und versuche das nervende Röhren der Jet-Skier zu ignorieren, die in Ufernähe unentwegt hin und her rasen. Es gelingt mir nicht. Etwas gereizt verziehe ich mich abends ins Hotelzimmer.

Doch die Nachtruhe ist auch keine wirkliche. Der Gesang angetrunkener Gäste an der hoteleigenen Bar dringt in allen Details durch das Fenster. Als dieser endlich verstummt, wird dafür das Dröhnen der Klimaanlage gut hörbar. Also weg aus den Städten, fort von der Zivilisation.

Auf einer ausgedehnten Wanderung finden meine Herzdame und ich doch noch die erhoffte Ruhe. Wir schlendern durch eine gleichermassen imposante wie stille Landschaft. Nur Vogelgezwitscher und Grillengezirpe um uns. Am Wegrand lassen wir uns zur Rast nieder und verzehren genüsslich unsere gegrillten Pouletschenkel. Aus weiter Ferne ist leises Verkehrsrauschen zu hören. Doch es beunruhigt uns nicht. Mehrere Kilometer trennen uns von der nächstgrösseren Strasse. Wir widmen uns wieder den leiblichen Genüssen.

Plötzlich biegt eine brüllende Staubwolke um die Kurve. Dröhnendes Geknatter, schreiende Stimmen und überall Staub. Eine Horde vierrädriger Ungetüme, sogenannte Quads, rast dicht an uns vorbei und hinterlässt reichlich Gestank, Lärm und Dreck. Auf dem letzten Gefährt sehe ich das Schild «Fun Ride in the Silent Nature».

Ich sehne mich zurück nach dem Bellevue.

publiziert im Journal 5-06