Schlüsselsuche

«Meine Kaschmir-Handschuhe?!» Seit dem verfrühten Winterbeginn vor ein paar Tagen laufe ich mit blaugefrorenen Fingern umher, weil ich meine Edel-Handwärmer nicht mehr fand. Nun liegen sie vor mir auf dem Boden unseres Wohnzimmers. Als Teil eines ausgebreiteten Haufens verschiedenster Objekte, in dessen Mitte meine Herzdame kauert.

Letztere zelebriert das wöchentliche Ritual des Schlüsselsuchens. Es beginnt mit ausgedehntem Taschenwühlen, begleitet von gemurmelten Verwünschungen des sich hinterhältig und bösartig verbergenden Schlüssels. Langsam steigert es sich dann zu einer allgemeinen Jacken- und Schubladenanalyse. Der Schlüssel ist nun bereits zum personifizierten Bösen geworden. Der Schlussakt besteht immer aus dessen wundersamen Auftauchen in der anfangs geleerten Tasche.

Diesmal ist mir der Triumph des finalen Taschengriffs vergönnt. Zielsicher lange ich in eine der zahlreichen Innentaschen und schwenke den Schlüssel vor ihren Augen. Ihr Dank ist unendlich: «Den stecke ich nie dort hinein. Das warst sicher Du.»

Ebenfalls zum Ritual gehört das Auftauchen meiner vermissten Sachen. Diesmal sind es neben den Handschuhen noch meine Zeitung von gestern und meine teuren Seidensocken, die als Brillenputztuch ihre neue Bestimmung fanden.

«Was ist das überhaupt für eine hässliche Tasche. Die protzigen goldenen Reissverschlüsse, die überflüssigen Seitentaschen. Darin kannst Du ja nichts finden», bemerke ich in zwischen Vorwurf und Mitleid schwankendem Ton. «Die hast Du mir an unserem Hochzeitstag geschenkt.»

publiziert im Journal 5-07