Frühlingsputz

«Haben wir doch erst grad kürzlich.» Nach einem betont gelassenen Schluck meines Morgenkaffees blicke ich meine Herzdame versöhnlich an. Doch unsere Sonntagsmission ist beschlossen: «Das war vor einem Jahr. Inzwischen baden die Milben in unserem Staub. Heute wird geputzt!»

«Zu sauber ist auch nicht gut, das schwächt das Immunsystem», versuche ich mein Sonntagsfrühstück wissenschaftlich zu verlängern. Doch noch bevor ich den ästhetischen Aspekt des Spinnennetzes über unserem Bett erläutern kann, werden die Aufgaben schon verteilt: «Du nimmst den Staubsauger. Dann hast du wenigstens eine deiner geliebten Maschinen.»

Man muss wissen, wann man verloren hat. Ich füge mich dem Unausweichlichen und beschliesse, das mir zugewiesene Projekt optimal umzusetzen. Staubsauger aus dem Keller holen, Kabellänge, Düsenaufsatz und Saugwinkel im idealen Verhältnis zueinander justieren – und schon kanns losgehen.

Nach einem martialischen Reinigungsmanöver, das Tausenden von Mikroben und drei Staubbeuteln das Leben kostete, stehe ich triumphierend in meinem Werk. Um mich herum die totale Sauberkeit, bis ins hinterste Eck keimfreier Glanz.

Mit akribischem Blick unterziehe ich den neuerschaffenen Raum einer kritischen Würdigung. Nicht der kleinste Fehler soll diese Perfektion stören. Meine Herzdame steht bereits hinter mir. Stolz trete ich beiseite, um ihr auch einen Blick auf diese Vollkommenheit zu gönnen.

Ihre Bewunderung kennt keine Grenzen: «Das Klo sieht sauber aus, du darfst jetzt den Rest der Wohnung machen.»

publiziert im Journal 2-08