Hemdenkauf

«Welches ist schöner – das hell- oder das dunkelblaue?» In Modesachen berät mich meine Herzdame mit sicherem Gespür. «Das ist türkis, nicht hellblau, und diese Farbe steht dir nicht. Das andere hat keinen guten Schnitt, es betont deinen Bauch.»

Meine Modeberaterin hat bei mir schon seit längerem eine ausgeprägte Farbfehlsichtigkeit, gepaart mit einer Formenindifferenz, diagnostiziert. Sie behält sich darum ein Mitspracherecht beim Kleiderkauf vor.

Seit gefühlten zwei Stunden kämpfe ich mich nun schon durch die Hemdenauswahl des Kaufhauses. Das Sortiment ist über das ganze Stockwerk verteilt – nach «Brands» sortiert, wie mir ein Verkäufer erklärt. Dies beschert mir ein beträchtliches Laufpensum.

Immer wieder führe ich meiner Herzdame neue Modelle vor und scheitere jedes Mal an ihrem unfehlbaren Stilinstinkt. «Dieser biedere Kragen macht dich alt, die Knöpfe sind hässlich.» Auch meine Innovationsversuche landen auf dem Boden der Moderealität: «Grün-rosa-kariert – für die Fasnacht?»

Nachdem wir uns auf zwei Modelle geeinigt haben, schleppe ich mich entkräftet in Richtung Kasse. «Hast du auch bei den Aktionen geschaut?» Meine Herzdame ist nicht nur stil-, sondern auch budgetbewusst. «Ich kann nicht mehr, ich muss hier raus.» Die akrobatischen Verrenkungen beim Umziehen in engen und überhitzten Kabinen haben mein Stehvermögen erschöpft.

Mit einem Strahlen gibt mir die Kassiererin einen wohlgemeinten Rat: «Im obersten Stock haben wir Ausverkauf. Wenn Sie noch ein drittes Hemd nehmen, bekommen Sie dreissig Prozent Rabatt.»

Ich falle in Ohnmacht.

publiziert im Journal 5-08