Lippenstift

«Metallic Rose!» Keine neue Blumenart, sondern ein entscheidendes Detail meiner Shopping-Mission. Der Notfall war eingetreten: Meiner Herzdame ist zu Beginn des Wochenendes der Lippenstift ausgegangen: «Ohne den gehe ich nicht aus dem Haus!» Mein Samstagmorgeneinkauf würde mich heute also noch zu den Kosmetikregalen führen.

«Keine andere Farbe», erinnerte sie mich deutlich an mein letztes Versagen. Dabei tönte «Koralle» so schön. Es erfolgten weitere Präzisierungen. «In der Packung hat es einen separaten Lipgloss-Stift. Und aussen steht gross ‹Mit Zwölf-Stunden-Haftgarantie› – vielleicht küsse ich ja heute noch jemanden.»

Nun stehe ich im Supermarkt verloren vor dem Lippenstift-Regal. Gefühlte Tausend Packungen breiten sich vor mir aus. Nach ratlosem Hin- und Herrennen wende ich mich geschlagen an eine Angestellte.

«Der hängt da oben links. Wir habe ihn jetzt einzeln. Den Lipgloss fanden die Kundinnen nicht so gut». Da ich nicht wieder scheitern will, flehe ich sie an, mir eine alte Version mit Lipgloss zu beschaffen.

Nach einigen Telefonaten kehrt sie eine Viertelstunde später aus dem Lager zurück und präsentiert mir die letzten drei Packungen mit dem unbeliebten Stift.

Stolz kehre ich heim und breite meine Beute vor meiner Herzdame aus. Für dieses selige Lächeln liebe ich sie. Als erstes reisst sie alle Packungen auf und wirft den Lipgloss in den Abfall. «Ich brauche nur den Lippenstift, der Lipgloss ist nicht so gut.»

publiziert im Journal 1-09