Astrologie

«Gehen Sie diesen Monat schwierige Aufgaben an – Ihre Erfolgsaussichten diese zu meistern sind hoch.» Meine Herzdame liest Horoskope mit regem Interesse – und deutet sie auch gleich: «Ich könnte es also wieder einmal wagen, mit dir zusammen Hemden kaufen zu gehen.»

Ich ignoriere den kleinen Seitenhieb und versuche, durch konsequentes Schweigen das Thema zu wechseln. Doch ihr Interesse ist unerschütterlich. «Was hast du eigentlich als Aszendent? Das hast du mir nie gesagt.»

Als vehementer Gegner alles Übersinnlichen stelle ich mich nun doch der Diskussion: «Diese sogenannten Astrologen schreiben doch immer das Gleiche. Die wechseln nur einzelne Sätze aus –wie ich in meinen Geburtstagsskarten.» «Im Vergleich zu deinen vierteljährlichen Karten sind diese monatlichen Horoskope aber literarische Meisterwerke. Vielleicht ist dein Aszendent ja kreativitätshemmend?»

Ein Trick um mir meinen Aszendenten zu entlocken, aber ich bleibe auf dem Boden der Tatsachen: «Ausserdem sind die Texte so formuliert, dass sie auf völlig gegensätzliche Menschen zutreffen. Jeder hat das Gefühl, für ihn stimme die Vorhersage.» «Also wenn da wirklich einmal stehen sollte, dass deine Erfolgsaussichten beim Hemdenkauf hoch sind, dann werde ich das nicht mehr glauben. Aber jetzt sag endlich deinen Aszendenten – oder weisst Du ihn gar nicht?»

«Selbstverständlich!» In persönlichen Dingen zeichnet sich meine Herzdame durch Beharrlichkeit aus. Ich kapituliere. «Schütze! Aber Schützen glauben nicht an Astrologie.»

publiziert im Journal 2-09