Film

«Wer ist das denn?» Verzweifelt versuche ich das Beziehungsgeflecht zu entwirren. Aber in dem Film, mit dem wir unseren Abend füllen, treten andauernd neue, mir unbekannte Figuren auf. «Der Stiefsohn der unehelichen Tochter aus erster Ehe» – meine Herzdame behält den Überblick. «Das sind mir zu viele Töchter, ich brauche einen Whiskey.» Ernüchtert über meine soziale Inkompetenz hole ich mir spirituelle Unterstützung in unserer Hausbar.

Unser Filmgeschmack unterscheidet sich diametral: Meine Herzdame bevorzugt Familiendramen, möglichst mit gesellschaftskritischem Anspruch, während ich eher zu Science Fiction neige. Das macht einen gemeinsamen Filmgenuss schwierig: Bei komplexen Verwandtschaftsverhältnissen werde ich nervös, sie schläft schon beim Vorspann zu «2001: A Space Odyssey» ein.

Darum versuchen wir’s mit einem Klassiker: Fellini – auf Grossleinwand. Bereit für die Kulturmission stehen wir am Kinoeingang. Meine Herzdame hat die Organisation übernommen: «Ich hab’ zwei gute Plätze reserviert. Nahe beim Ausgang. Wenn’s langweilig wird, können wir unauffällig gehen».

«Der Film geht zwei Stunden und ich hab’ jetzt schon Hunger», zweifle ich. «Ich auch», seufzt meine Herzdame. «Aber um diese Zeit finden wir in keinem Restaurant einen Platz. Wir müssen ins Kino», versuche ich unsere Motivation zu retten.

«Ich hab’ auch noch bei unserem Lieblingsitaliener reserviert – zur Sicherheit», lächelt meine Herzdame. Eine Viertelstunde später sitzen wir vor zwei Tellern Spaghetti «La Dolce Vita». Immerhin!

publiziert im Journal 5-09