Morgens

«Du hast die Zahnpasta nicht auf den Kopf gestellt». Morgens vertrage ich keine Regelverletzungen. Und meine Herzdame kein Genörgle: «Du tönst wie ein schlechter Film.»

«Ist die Kaffeemaschine an?» «Ja. Und der Toaster auch.» Unser morgendlicher Ablauf ist ein Ritual: Jeder Schritt ist klar definiert und wird gelassen ausgeführt.

Als ich mich nach der Morgentoilette anziehen gehe, kommt mir der Kater entgegen. Meine vorher sorgfältig geschichteten Kleider liegen verstreut am Boden. Unser Mitbewohner hat sein eigenes Morgenritual.

«Den Honig, bitte.» Der effiziente Ablauf erlaubt uns ein gemütliches Frühstück. «Kann ich dafür die Butter haben? Und Vorsicht, der Kater springt dir gleich in den Teller.» Obwohl als einziger bereits gefüttert, drängt es ihn zu unseren Speisen. Ich scheuche ihn weg.

Entspannt essen wir Toast und lesen Zeitung. «Was ist das für ein Geräusch?» Ich gehe nachschauen. Der Pelzträger rennt an mir vorbei mit unserem Frühstücksschinken im Maul. «Hast du ihn wieder in der Küche liegen gelassen?» Meine Herzdame steht kopfschüttelnd neben mir.

Wir kehren an den Tisch zurück. Hier liegt der Vierbeiner und schleckt sich die Reste unserer Spiegeleier ab. «Ich hatte noch gar nichts davon.» Meine Herzdame hat ihre Gelassenheit verloren.

Verspätet hetzen wir schliesslich zum Tram. Ich musste meine Schlüssel in diversen Katzenverstecken suchen.

«Unser Kater ist schon herzig.» Meine Herzdame vergibt schnell. «Und so beruhigend.»

publiziert im Journal 6-10