Balkonpflanzen
«Zu viel Sonne, zu viele andere Pflanzen. Dieser Topf muss näher zur Wand.» Nach dem Grundsatz der gleichmässigen Verteilung versuche ich die Anordnung unserer Balkonpflanzen zu restrukturieren. Doch meine Herzdame hat andere Prinzipien. «Lavendel braucht viel Sonne. Und mir gefallen so viele Pflanzen auf einem Haufen.» Dank viel Platz auf dem Balkon haben wir auch viel Konfliktpotenzial bei dessen Gestaltung.
Ich verlege meine Argumentation auf ein Farbschema. «Das Lavendellila kontrastiert zu stark mit dem Sonnenblumengelb. Es harmoniert viel besser mit dem Wandgrau dort hinten.» Meine Herzdame kontert mit externen Referenzen. «Auf den Van-Gogh-Bildern neulich haben dir die Sonnenblumen- und Lavendelfelder auch gefallen.»
Ich bringe den Aspekt der Nachhaltigkeit ins Spiel. «Aber Blüten entfalten ihre Wirkung nur während einer sehr begrenzten Weile. Die meiste Zeit welken sie vor sich hin oder sind gar nicht da.» «Das ist halt das Wesen der Natur: Blüte und Verfall. Wie das Leben – schau’ dich doch an», grinst mich meine Pflanzenversteherin schelmisch an.
In meiner Argumentationsnot entwickle ich eine spontane Philosophie der Unauffälligkeit: «Die immergrünen Sachen sind in ihrer Bescheidenheit ästhetischer, nicht so bunt und trotzdem farbig. Dieser kleine Grasbusch im Eck zum Beispiel. In seiner grünen Winzigkeit wirkt er fast schon stolz. Er leuchtet richtig – und das schon seit langem.»
«Das ist Katzengras. Das kaufe ich jede Woche neu.»
publiziert im Journal 4-11