Designgarderobe

«Hier ein Objekt in gebürstetem Chrom mit schwarzen Silikonkanten». Der ‹Berater› – so heissen Verkäufer in diesem Designgeschäft – zeigt uns stolz einen Gegenstand, der ähnlich wie ein Baustellengerüst aussieht.

«Wir suchen eher etwas Farbiges». Meine Herzdame hat genaue Vorstellungen, wie der Ersatz für unser Garderobenprovisorium zuhause aussehen soll. Der Berater zeigt auf einen kleinen Felsblock: «Dieses Objekt ist handgeformt aus rotem Schiefer». Meine Steinfachfrau kneift die Augen zusammen: «Das ist für mich schwarz» «Im Gegenlicht schimmert es rötlich», belehrt uns der Berater.

«Gestern habe ich im Brockenhaus eine farbige Garderobe gesehen», raunt mir meine Herzdame zu. «Ich will aber etwas Modernes – und Ungebrauchtes», murmle ich zurück.

Entschlossen übernehme ich die Initiative und frage den Berater: «Haben Sie denn nichts mit richtigen Farben?» «Chrom und Stein sind halt im Moment sehr gefragt. Aber wir haben noch eine Aktion – einen echten Corbusier in rot. Das Objekt steht im Keller». Meine Herzdame ist am Ende ihrer Designtoleranz: «Ich gehe im Foyer einen Kaffee trinken. Den habe ich gerne schwarz. Du kannst das ‹Objekt› alleine aussuchen.»

Nach einer halben Stunde kehre ich aus dem Keller zurück. «Farbig – auch ohne Gegenlicht, kein Chromschiefer, Aktion. Und ein echter Corbusier», präsentiere ich meiner Herzdame das erworbene Objekt. Sie grinst milde: «Das ist genau die Garderobe aus dem Brockenhaus. Nur dreimal so teuer.»

publiziert im Journal 5-11