Wandern

«Zur Bergbeiz gehts durchs Dorf und dann geradeaus den Hang hinauf – das schaffen wir auch ohne Karte.» Mangels Wegweiser hat meine Herzdame einen Einheimischen nach der Route gefragt. Aber ich misstraue ihrem Informanten: «Die Landbevölkerung kennt keine Wanderwege. Die fahren nur mit dem Auto und gehen nie zu Fuss. Der schickt uns doch auf die Autobahn.» Geübt ignoriert meine Herzdame diesen Einwand, schreitet munter voran und frohlockt: «Da vorne hats einen schönen Hof. Und Katzen!»

Nachdem wir alle Schafe, Ziegen, Kühe, Hunde und Katzen des Dorfes gebührend gewürdigt haben, sind wir endlich am Dorfende angelangt. «Kein Wanderweg weit und breit. Ich hatte recht!», knurre ich. «Eine neue Erfahrung für dich», zwinkert mich meine Herzdame an. «Dann gehen wir halt wieder zurück und suchen den Weg. Es ist ja ein schönes Dorf, es hat herzige Tiere und die Sonne scheint. Und du darfst auch deine Karte rausholen.»

Nach erneutem Tierstreicheln stapfen wir – nun auf dem richtigen Wanderweg – bergauf. «Da vorne gehts in den Wald», keuche ich. «In den Schatten», benennt meine Sonnenkönigin das Unheil klar. Wir sehen uns zweifelnd an.

Kurz darauf sind wir wieder im Dorf und schlemmen im Garten des «Rössli». «Das Essen ist wirklich gut, das Dorf schön – und die vielen Tiere», schwärmt meine Herzdame. Ich stimme zu. «Eine gelungene Wanderung.»

publiziert im Journal 2-12