Ferien

«Ich muss mich sofort hinlegen, sonst breche ich zusammen.» Meine Herzdame wirft sich auf das harte Hotelbett. «Drei Schlösser und zwei Kirchen an einem Tag – das ist zu viel für uns.» Ächzend dreht sie sich auf die Seite. «Ich freue mich wieder auf unser weiches Bett zuhause.»

«Und ich habe Bauchweh, mir ist fast schlecht.» Stöhnend lasse ich mich in einen Sessel fallen. Meine Herzdame hebt schwach den Kopf. «Das war das Dessert! Du hättest nach der fünften Käsesorte aufhören sollen.» «Aber der sechste war ein Grauschimmel Camembert», seufze ich. «Den bekommt man nur hier.» «Das sagst du bei jedem Essen – und danach ist dir schlecht.» Meine Herzdame sinkt wieder erschöpft in die Kissen.

«Aber ein paar sehr schöne Fotomotive hatten wir heute», versuche ich den Schmerzen einen Sinn zu geben. «Und keines ist dir entkommen.» Meine Herzdame hat sich wieder aufgerichtet. «Warum fotografierst du eigentlich so viel? Du hast alles mindestens dreifach aufgenommen.» «Ich habe verschiedene Perspektiven ausprobiert», wehre ich mich. «Aha! Darum bist du in der Kirche auf den Altar und im Schloss unters Königsbett geklettert.» Ich nicke. «Die ungewöhnlichsten sind oft die besten Fotos.»

«Am Ende weisst du nicht mehr, welche deiner dreihundert Perspektiven du wo aufgenommen hast. Die Ferienfotos vom letzten Jahr liegen ja noch unsortiert herum.»

Der Gedanke an die Verarbeitung der Ferienfotomassen lässt mich aufstöhnen: «Ferien sind anstrengend.»

publiziert im Journal 5-12