Wellness

«Das blaue, bitte!» Meine Herzdame zeigt auf das gewünschte Handtuch. Ich reiche es ihr. «Warum nicht das grüne?» «Das grüne ist zum Abtrocknen, das blaue zum Draufsitzen.» Ich bin fasziniert von diesem Farbsystem. «Und wofür ist das gelbe?» «Zum Draufliegen im Ruheraum.»

Ich habe begriffen: «Wir gehen jetzt ins Dampfbad und setzen uns auf die blauen Tücher?» Meine Wohlfühlkoordinatorin winkt ab: «Im Dampfbad benutzt man Sitzmatten. Wir gehen in die finnische Sauna. Dort ist es richtig heiss, trink vorher was.» Sie zeigt auf den Wasserspender. Ratlos blicke ich die Stahlsäule an. «Wo kommt da Was­ ser raus?» «Oben drücken und unten den Mund in den Strahl halten, den offenen Mund!», zwinkert mir meine Herzdame zu.

Mit Flüssigkeit und Handtuch versehen setzen wir uns in die skandinavische Schwitzkammer. Während ich vor mich hintriefe, gibt mir meine Wellness-Expertin den weiteren Ablauf bekannt: «Es hat noch eine Jasminsauna und ein Biosanarium. Aber jetzt muss ich raus, mir ist heiss genug.»

Eingehüllt in esoterische Musik und gelbe Tücher, versuche ich im Ruheraum das Schnarchen der anderen Entspannten zu ignorieren.

Danach bringen wir noch Aromagrotte, Himalayasauna, Honigaufguss und Salzpeeling hinter uns.

Genüsslich lässt sich meine Herzdame in die Liege fallen und kuschelt sich in ihr Tuch. «Warum stehst du noch?» Tropfend entgegne ich: «Ich hab die Farben verwechselt, ich hab nur noch nasse Handtücher.»

publiziert im Journal 6-12